Am 11. Februar veröffentlichte die norwegische Browserschmiede Opera Software ASA die neue Version 10.50 Beta ihres Opera Webbrowsers. Und während noch in der Pressemittelung nur davon die Rede war, dass die neue Version viel schneller sei als die vorherigen, wird inzwischen auf der Downloadseite vom ‘schnellsten Browser der Welt’ gesprochen. Unabhängige Seiten wie Computerworld bestätigen diese Behauptung durch Vergleiche mit dem SunSpider Javascript Benchmark. Aber was hat das Ganze mit dem Google Browser ‘Chrome’ zu tun?
Die Quantensprünge der alternativen Browser
Zunächst: Was sind die alternativen Browser? Dies sind all die Webbrowser, die nicht der Microsoft Internetexplorer sind. Denn der MSIE, wie er im Folgenden abgekürzt wird, ist weiterhin der unangefochtene Platzhirsch im Browsergeschäft. Und alle anderen sind damit nur ‘Alternativen’, selbst wenn der Marktanteil des MSIE offenbar stetig bröckelt.
Seit dem Jahr 2008 haben alle ‘alternativen Browser’ enorme Performancesprünge vollzogen, insbesondere im Bereich der Javascript Leistung. Hier die entsprechenden Meldungen:
- Firefox: Die Pressemitteilung zur Version 3.5 vom 30.06.2009 spricht davon, dass die neue Version ‘zweimal schneller als die Version 3’ sei und eine ‘stark gesteigerte JavaScript-Performance’ aufweise. Mit der Version 3.5 wurde die Tracemonkey Engine eingeführt
- Safari: Apple behauptet heute weiterhin, dass Safari mit seiner Nitro Engine der schnellste Webbrowser sei. Diese neu entwickelte Engine wurde mit der Version 4 eingeführt, laut PCTipp soll sie ’Javascript bis zu 4.5 Mal schneller ausführen’ als die Version 3. Die Meldung datiert aus dem Juni 2009.
- Opera: Der Vollständigkeit halber noch einmal die Pressemitteilung zur Version 10.50 Beta: ‘more than eight times faster than its predecessor’ soll der Browser durch die neue Carakan Engine sein
Woher kommen plötzlich diese enormen Geschwindigkeitssteigerungen, die nicht nur behauptet, sondern real sind? Den Anstoß dazu hat mit Sicherheit Google mit der überraschenden Veröffentlichung des eigenen Chrome Browsers im September 2008 geben. Hier ein Video von Google zur Einführung:
Der Chrome Browser brachte ebenfalls seine eigene Javascript Engine mit, die V8 genannt wird. In der englischen Wikipedia ist nachzulesen, dass Chrome mit der Version 1.0 sofort an die Performancespitze vorstieß und quasi unmittelbar zu Reaktionen der anderen Browserhersteller führte. Die nächsten Versionssprünge brachten dann jeweils noch weitere Geschwindigkeitssteigerungen. Mit Chrome begann daher das Rennen um die Krone bei der Javascript Performance, welches noch heute anhält.
Googles Ziele werden in jedem Fall erreicht
Angesichts der Behauptungen mindestens von Apple und Opera die jeweils schnellsten Browser der Welt im Angebot zu haben, und dem immer noch besseren Abschneiden von Chrome bei bestimmten Tests wie der V8 Benchmark Suite: welche Rolle spielt es eigentlich, wer wirklich den schnellsten Webbrowser anbietet? Für Google spielt es vermutlich keine Rolle!
Selbst wenn Chrome nie der Browser werden wird, für den sich die Mehrheit der Internetnutzer entscheidet, so hat Google durch Chrome doch den behäbig gewordenen Anbietern der alternativen Browser, die sich immer nur mit den vorsintflutlichen Produkten Microsofts verglichen hatten, einen ordentlichen Tritt gegeben. Wann hat es in den Jahren zuvor jemals eine so intensive Phase von Innovationen in diesem Bereich gegeben?
Und all diese Innovationen sorgen nur dafür, dass webbasierte Anwendungen wie die Google Apps noch besser nutzbar werden, noch mehr Funktionen erhalten können und damit die Idee noch mehr Überzeugungskraft gewinnt, alle Dienste und Anwendungen ins Web zu verlagern. Und das Web ist nun mal die Stelle, an der Google sein Geld verdient.
Es geht Google daher mit Chrome vermutlich nicht wirklich darum mittel- oder langfristig, schon gar nicht kurzfristig, zum Marktführer unter den Browseranbietern zu werden. Die Häme, die über Google nach dem langsamen Start von Chrome immer mal wieder ergossen wurde, war daher viel zu kurzsichtig: Chrome ist im wesentlichen die Saat, die bei den anderen Browserherstellern ausgesät wurde, und schon nach eineinhalb Jahren hat sie überall gekeimt und die erwarteten Früchte getragen. Nur noch nicht beim Marktführer:
Und was macht der Marktführer?
Microsoft, als vermutlich sowohl ungeliebtester wie auch größter Browseranbieter, hat sich bisher nicht dem großen Rennen angeschlossen und steht heute in Bezug auf Performance, Funktionalität und Standardkonformität ganz am Ende. Hat die Chrome Saat hier noch keine Wurzeln schlagen können?
Die Vermutung liegt nahe, dass Microsoft in webbasierten und womöglich auch noch kostenlosen Diensten wie den Google Apps oder Zoho eine Bedrohung seiner Geldkühe wie dem Office Paket gesehen hat und diese Entwicklung auf keinen Fall durch einen zu performanten und schon mit Windows mitgelieferten Webbrowser fördern wollte. Möglicherweise hat man in Redmond auch die Dynamik dieser neuen Dienste unterschätzt, insbesondere wenn sie von mächtigen Gegenspielern wie Google forciert werden, die gar nicht darauf angewiesen zu sein scheinen, von ihren Nutzern für mit jedem Tag leistungsfähiger werdende Dienste Geld zu verlangen.
Doch selbst Microsoft geht inzwischen mit Produkten wie Sharepoint oder Office Live den Weg ins Web und dabei wird es allmählich peinlich, wenn man den Kunden für eine optimale Performance empfehlen muss irgendeinen Webbrowser zu nehmen, aber auf keinen Fall den, der vom eigenen Haus angeboten wird. Ein Übriges wird vermutlich die Auflage der EU tun, die Microsoft dazu zwingen wird den Nutzern von MS Windows eine Möglichkeit zur Wahl des Webbrowsers einzurichten.
Und in der Tat scheint Microsoft mit der kommenden Version 9 des MSIE wieder zur Konkurrenz aufschließen zu wollen: In dem IEBlog findet sich ein Artikel, der Charts mit Performancevergleichen zu früheren IE Versionen und zu den Konkurrenten enthält. Demnach ist der IE9 immer noch langsamer als die Alternativen, aber nicht mehr viel. Und er ist ja noch in einem frühen Stadium.
Was weiter
Wie es aussieht scheint die Chrome Saat tatsächlich an allen Stellen aufzugehen. In jedem Fall wird der wieder intensivierte Browserkrieg noch weiter gehen und diese schön illustrierte History of Web Browsers noch lange fortgeführt werden können.
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