Dienstag, 25. Januar 2011

Etwas Ordnung in Googles Betriebssystemzoo bringen

Google ist für die meisten weiterhin ein Synonym für die Internetsuche, nicht umsonst ist der Begriff ‘googeln’ bereits seit 2004 im Duden enthalten. Weniger bekannt ist bisher noch, dass Google mittlerweile zu den großen Betriebssystemherstellern gehört: da ist zum einen das Smartphonebetriebssystem Android, welches in 2010 einen rasanten Aufstieg feiern konnte, und zum anderen das von Googles Webbrowser Chrome abgeleitete ChromeOS, welches Mitte 2011 endlich auf den Markt kommen soll.

In Berichten über diese beiden Betriebssystemkinder des Suchgiganten taucht immer wieder die Frage auf, warum Google eigentlich zwei oder – nach der erst kürzlich erfolgten Auftrennung von Android in eine Variante für Telefone und eine für Tablets – vielleicht sogar drei Betriebssysteme entwickelt und ob die entsprechenden Ressourcen nicht besser auf ein Produkt fokussiert werden sollten. Meist wird dabei Google nahe gelegt ChromeOS aufzugeben und alle Kräfte auf Android zu konzentrieren.

Dieser Text versteht sich als ein Versuch die Google Betriebssysteme einzuordnen, zu vergleichen, ihre unterschiedlichen Zielsetzungen und die verbindende Strategie herauszuarbeiten. Im Kern geht es natürlich auch bei dieser Aktivität von Google – wie immer - darum das Kerngeschäft der Onlinewerbung zu stärken. Vielleicht aber auch darum die IT Welt etwas einfacher – und damit in gewissem Sinne besser - zu machen.

Ganz kurz: Android versus ChromeOS

Beide Betriebssysteme werden von Google als Opensource Projekte geführt, die jeweiligen Homepages finden sich unter android.com und chromium.org. In technischer Hinsicht haben beide Systeme mit Linux eine gemeinsame Basis, aber hier enden die Gemeinsamkeiten auch schon mehr oder weniger.

Android – der kleine Roboter kämpft um die Weltherrschaft

Android ist ein zunächst für Smartphones entwickeltes Betriebssystem. Ausgelegt für kleine Bildschirmgrößen, die Bedienung per Touchscreen und geringe Prozessorleistungen konkurriert es insbesondere mit Apples iPhone Betriebssystem iOS. Die erste Version konnte man Ende 2008 auf einem Handy kaufen, der entscheidende Durchbruch kam allerdings erst in 2010 parallel mit dem insgesamt stark wachsenden Smartphone Markt. Die Analysten von Canalys schätzen die Anzahl der im 3. Quartal 2010 verkauften Android Handys auf 20 Millionen, gleichzeitig soll Android 25% Weltmarktanteil haben.

Im Gegensatz insbesondere zu Apple besteht Googles Strategie im Mobilbereich dabei nicht darin Software und Hardware herzustellen und zu vertreiben. Google überlässt vielmehr Herstellern wie Samsung, HTC, Motorola, Acer, Dell, etc. die Geräteherstellung und baut im wesentlichen darauf, dass durch die zur Verfügung Stellung der Android Plattform die eigenen Dienste wie Suche, Mail, Maps, etc. verbreitet werden. Auch betreibt Google den Android Market, die offizielle – aber nicht die einzige - Quelle für Android Apps.

Eine oft kritisierte Eigenschaft dieses Arrangements zwischen Google und den Geräteherstellern ist die sogenannte Fragmentierung.  Damit wird der Effekt bezeichnet, dass nicht alle Android Geräte mit der jeweils aktuellsten Betriebssystemversion ausgestattet sind. Für die Fragmentierung gibt es unterschiedliche Gründe, letztlich sind die fehlende Motivation der Geräterhersteller und der Telekomunikationsunternehmen in Aktualisierungen bereits verkaufter Geräte zu investieren und die fehlende Durchgriffsmöglichkeit Googles wohl die wichtigsten.

Die Fragmentierung scheint allerdings Androids Aufstieg zum weltweit meistgenutzten Smartphone Betriebssystem nicht aufzuhalten. Anfang des Jahres stellte Google dann Android Version 3.0 aka Honeycomb vor, diese Version ist für Geräte mit größeren Bildschirmen – insbesondere Tablets – optimiert. Offenbar plant Google hier eine Aufspaltung von Android in zwei Zweige, was die Fragmentierung nicht verringern wird.

Neben Smartphones und Tablets dehnt sich Android auch auf andere Plattformen aus, besonders bemerkenswert hier vielleicht die Fernsehplattform Google TV. Klassische PC- oder Laptopformate mit Android sind hingegen bisher selten geblieben.

ChromeOS – die visionäre Unbekannte

Ende 2008 startete Google seinen eigenen Internetbrowser Chrome, der heute nach Analysen etwa von Netmarketshare einen Marktanteil von weltweit ca. 10% hat. Google nannte bei seinem Chrome Event am 7.12.2010 eine aktive Nutzerschaft von 120 Millionen. Dies ist ein erheblicher Erfolg für ein so junges Produkt, der noch nicht an seinem Ende angekommen zu sein scheint.

Google bewirbt seinen Webbrowser als besonders schnell und hat ein Rennen zwischen den anderen Browserherstellern insbesondere bei der Javascript Performance ausgelöst, welches heute noch anhält. Weitere Neuerungen von Chrome waren automatische und stille Aktualisierungen und sowie besondere Sicherheitsfunktionen.

ChromeOS stellt kurz gesagt die Verknüpfung eines Linux Betriebssystems mit dem Chrome Webbrowser dar, auf der sonst keinerlei Anwendungen installiert werden können. Eine genauere Beschreibung der speziellen Eigenschaften von ChromeOS habe ich schon einmal in dem Blogpost ‘Warum ChromeOS ganz groß wird’ geliefert und spare sie mir daher.

Warum habe ich ChromeOS im Titel als ‘visionäre Unbekannte’ bezeichnet? Visionär ist für die Meisten noch die Vorstellung keine Dateien und ‘echte’ Programme auf dem eigenen Rechner zu halten, selbst wenn sie selbst die meiste Zeit bereits jetzt im Netz verbringen. Google allerdings arbeitet schon seit langem daran alle relevanten Tätigkeitsfelder mit webbasierten Diensten abdecken zu können, seien es eMail, Textverarbeitung, Präsentationserstellung, Kontaktverwaltung, etc. pp.

Eine Unbekannte ist ChromeOS unter anderem deshalb, weil es grundlegende Umwälzungen sowohl in den IT Betrieben großer Organisationen wie auch im Privaten verspricht und noch nicht abzusehen ist, wie schnell und wie umfangreich diese Umwälzungen kommen werden.

Zu ChromeOS gehört der Chrome Web Store, welcher sozusagen das Pendant zum Android Market ist, allerdings für Webanwendungen. Obwohl ChromeOS erst in Mitte 2011 auf endgültigen Geräten erhältlich sein soll ist der Web Store bereits seit Dezember 2010 online und kann im Chrome Browser verwendet werden. Er ergänzt das schon florierende Angebot an Erweiterungen für den Chrome Browser und wird spätestens seit dieser Woche von Google massiv mit Anzeigen im Internet beworben.

Google nimmt hier also offenbar einen langen Anlauf, damit ChromeOS Start gelingt. Auch der Chrome Browser wird weiterhin massiv beworben, inzwischen sogar selbst in Deutschland mit Plakatwerbung in den Innenstädten. Eine entsprechende Kampagne hat es für Android übrigens nie gegeben.

Kann es nur eines geben?

Google investiert in beide Betriebssysteme ganz massiv, wobei Android inzwischen wohl als Selbstläufer betrachtet werden kann. Bleibt nun die Frage, ob und wenn ja wie sich die beiden Angebote überhaupt abgrenzen lassen und ob es nicht reicht, nur eines der beiden Produkte überleben zu lassen. Betrachten wir daher zunächst beide Optionen der Frage, ob es nur eines geben kann:

Kann ChromeOS Android ersetzen?

Diese Frage wird eigentlich nur der Vollständigkeit halber gestellt: angesichts des gigantischen Erfolgs von Android, welches zur Zeit als einziges Smartphone Betriebssystem Apple mit seinen i* Produkten Paroli bieten kann, ist eine Aufgabe zu Gunsten ChromeOS völlig illusorisch. Vermutlich würden sich – sollte Google tatsächlich auf so eine Idee kommen – die Gerätehersteller den frei verfügbare Android Code nehmen und selbst weiter entwickeln. Auch ist ChromeOS nicht für Touchscreen Bedienung optimiert und erst recht nicht für kleine Bildschirme.

Sollte ChromeOS zu Gunsten von Android eingestellt werden?

Diese Forderung findet man immer mal wieder im Netz, ganz subjektiv gewinnt man den Eindruck sie würde insbesondere von Personen gestellt, die selbst sehr enthusiastische Android Fans sind und/oder die sich überhaupt nicht mit der Vision eines Betriebssystems anfreunden können, an dem man nicht mehr selbst herumbasteln kann. Gerade aus der Android Perspektive gibt es auch noch so viele Baustellen (eine der größten ist sicher der Android Market), dass eine Konzentration Googles auf diese Plattform höchst positiv wirken würde.

Das Ziel Googles mit ChromeOS sind jedoch die klassischen Domänen von Microsofts Windows Betriebssystemen - PCs, Laptops und Netbooks - Rechner also mit Tastatur, Maus und ‘normal’ großen Bildschirmen. Dies sind Geräte, die viel stärker als Smartphones und selbst Tablets für produzierende und eingebende Tätigkeiten verwendet werden und daher kaum geeignet scheinen für die Bedienung über eine Touchscreenoberfläche.

Schließlich gibt es noch ein betriebliches Argument: Mit ChromeOS wird die komplette Austauschbarkeit der Hardware zum obersten Ziel erhoben: sowohl kann ich von Rechner zu Rechner wechseln und habe immer meine Daten und Anwendungen vor mir, als auch können sich viele Personen den gleichen Rechner teilen und müssen dabei keine Vorkehrungen treffen um den gegenseitigen Zugriff auf private Daten zu verhindern.

Dies ist ein entscheidender Unterschied zu Android: Auch wenn es vergleichsweise einfach ist auf ein neues Android Gerät wieder mit den eigenen Kontaktdaten und Anwendungen zu bespielen sind die einzelnen Geräte letztlich weiterhin sehr stark personalisiert und können nicht einfach geteilt werden. Gerade in großen Organisationen ist dies ein entscheidender Unterschied in Bezug auf die Betriebskosten.

Schließlich gibt aus Sicht von Google möglicherweise noch das Argument des besseren Durchgriffs: ChromeOS wird nach allen heute bekannten Informationen keine Fragmentierung erleiden, da die Gerätehersteller keine Anpassungen daran vornehmen können und sich das Betriebssystem wie der Chrome Browser selbstständig aktuell hält. Google kann hier also ein ungebremstes Innovationstempo fahren sein.

Android und ChromeOS als zwei Elemente einer gemeinsamen Strategie

Beide Google Betriebssysteme haben damit offenbar ihre ganz eigene Daseinsberechtigung, wobei die einzige Überschneidung heute im Bereich der Tablets vermutet werden kann, auch wenn weder von Android 3.0 noch von ChromeOS bisher marktreife Tablets verfügbar sind. Der Tablet Bereich ist aber möglicherweise das Anwendungsfeld, in dem der gemeinsame Kristallisationspunkt beider Strategien sichtbar wird, und der besteht in webbasierten Anwendungen.

Google wird gelegentlich – zum Beispiel von Microsoft Chef Steve Ballmer – als ‘one trick pony’ bezeichnet, wobei dieser einzige Trick eben in dem Verdienen von Geld über Onlinewerbeanzeigen besteht. Tatsächlich ist Google auch nach seinem letzten Quartalsbericht weiterhin zum allergrößten Teil abhängig von Werbeeinnahmen. Allerdings beherrscht Google diesen seinen einzigen Trick unglaublich gut und man kann eigentlich nahezu alle wesentlichen Aktiviten des Konzerns irgendwie darauf zurückführen, diesen Trick zu stärken.

Ein entscheidender Teil von Googles Strategie scheint es dabei schon seit Jahren zu sein die Menschen länger ins Netz zu bringen, da man in Mountain View offenbar zuversichtlich ist sie dann an die eigene Suchmaschine binden zu können. Ein Beispiel sind die Google Docs:

An statt stundenlang mit Microsoft Word zu arbeiten und nie ins Netz zu gehen öffnet man hier den Browser und schreibt dort seinen Text. Damit ist man schon viel näher an die nächste Google Suche heran gekommen also zuvor. ChromeOS kann nun als Schlusspunkt dieser Strategie gesehen werden: hier ist man immer online und hat sogar eine Suchen-Taste. Selbst wenn Microsoft seine komplett Office Suite ebenfalls ins Netz bringen sollte –wozu sie zumindest in Teilen gezwungen sein werden – hat Google unabhängig vom letztlichen Erfolg seiner Google Docs gewonnen.

Ähnlich kann man die Notwendigkeit für Google herleiten Android zu produzieren: vielleicht hat man in beim Suchmaschinenriesen früher als an anderen Stellen erkannt, dass mit Apple ein Konkurrent erscheint, der in wenigen Jahren das Potential, die Möglichkeit und auch den Willen haben könnte eine hoch attraktive, aber auch komplett geschlossene Plattform in Händen zu halten, in welcher er ganz eigene Regeln für den Werbemarkt definieren kann.

Trotz des Erfolgs von Android kann man – insbesondere angesichts des bis jetzt eher vernachlässigten Android Markets – gelegentlich den Eindruck gewinnen, dass Google nicht ‘ganz bei der Sache’ ist. Vielleicht ist das auch gar nicht notwendig, da sich Android ja trotzdem auf einem scheinbar unaufhaltsamen Vormarsch befindet.

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sich Google bei ‘richtigen’ Webanwendungen einfach eher zu Hause fühlt als bei den kleinen Apps und damit kommen wir zur abschließenden These:

Der Chrome Web Store als Scharnier zwischen Android und ChromeOS

Die für mich spannendste Frage an das neue Android 3.0 ist die, wie leistungsfähig der mitgelieferte Webbrowser sein wird: ist es schon ein vollwertiger Chrome Browser? Wenn dies so ist, dann könnte der Chrome Web Store mit seinen Web ‘Apps’ ganz neue Nutzungsszenarien ermöglichen:

Als Nutzer des Chrome Browsers auf meinen Desktop PC installiere ich mir die gewünschten Web Apps in meinem Browser. Über die Synchronisationsfunktion wandern diese Apps auch gleich auf mein Android Tablet. Und wenn ich doch mal viel Tippen muss öffne ich das ChromeOS Netbook und finde dort auch alle Apps automatisch vor. Noch etwas weiter gedacht könnten sich die Web Apps auf Android 3.0 Geräten eigentlich komplett mit ‘normalen’ Android Apps vermischen.

Was sich hier also abzeichnet ist daher eine alle heutigen und kommenden Gerätearten  überspannende Anwendungsplattform, die den Nutzern einen völlig bruchlosen Übergang ermöglicht. Ausgenommen sind davon nur die klassischen Smartphones mit kleinen Bildschirmen und geringer Prozessorleistung.

Die Vision geht vermutlich sogar  noch weiter: Da die Apps im Chrome Web Store auf Techniken wie HTML 5 setzen sind sie vermutlich auch direkt auf Apples iPad einsetzbar und auch auf allen anderen jetzt entstehenden Tablet Plattformen dem Playbook von RIM und WebOS von HP, sofern entsprechende Browser verfügbar sind. Dies gilt natürlich auch für andere Webbrowser auf dem PC.

Gemäß der angenommenen Logik von Google, wonach es das Wichtigste ist die Nutzer überhaupt erst ins Netz zu bringen, kann ein solches Szenario nur einen Gewinn bedeuten. Und hier rundet sich für mich die Strategie von Google mit seinen beiden Betriebssystemen ab gemäß der alten Logik des getrennten Marschierens und gemeinsamen Zuschlagens.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Warum ChromeOS ganz groß wird

“This computer is a massively distributed system with billions of processors, billions of displays, exabytes of storage, and it's spread across the entire planet. Your phone or laptop is just one part of this global computer, and its primarily purpose is to provide a convenient interface.” – Paul Buchheit

Im Dezember 2010 brachte Google endlich die ersten Geräte mit seinem schon lange angekündigten Browserbetriebssystem ChromeOS heraus. chrome_logoDie Cr48 genannten Geräte wurden und werden als Testgeräte an einen ausgewählten Personenkreis verschenkt und sind ein Ausblick auf die nun für Mitte 2011 angekündigten endgültigen Geräte. Wenn es Googles Ziel war auf diese Weise für einen stetigen Strom von Medieninteresse für sein - neben Android – zweites Betriebssystem zu sorgen, so ist dies gelungen, denn jeden Tag finden sich nun im Netz neue Berichte und Rezensionen zu diesem Thema. Interessant ist dabei die sehr breite Spannbreite in den Beurteilungen: von ‘kompletter Unsinn’ bis hin zur Einschätzung, dass mit ChromeOS erstmals seit 1,5 Jahrzehnten wieder ein ernsthafter Herausforderer für Microsoft auf der Bühne erschienen sei ist eigentlich alles zu finden. Dieser Blogeintrag nun versucht eine Darstellung des aktuellen Stands von ChromeOS, seiner Besonderheiten und seiner Chancen auf dem weltweiten Markt der Betriebssysteme. Und wie der Blogtitel schon vorwegnimmt: Ich denke ChromeOS wird eine ganze große Sache, so groß, dass sich IT Betriebe bereits heute darauf einstellen müssen, sofern sie nicht enorme Potentiale für ihre zukünftige Entwicklung vergeben wollen.

Was ist ChromeOS eigentlich

ChromeOS ist grundsätzlich ein Betriebssystem, wie es Microsoft Windows, Apples OS X oder auch Linux ist. Es ist also nicht - wie der Chrome Webbrowser - eine Software, die auf einem anderen Betriebssystem läuft. Im Gegensatz zu den anderen genannten Betriebssystemen – und auch im Gegensatz zu Mobilbetriebssystemen wie Apples iOS und Googles Android – bietet ChromeOS als Betriebssystem seinen NutzerInnen nur einen Webbrowser als einzige Anwendung an. Oder anders gesagt: der Webbrowser ist das Betriebssystem. Es gibt keine Möglichkeit Programme oder ‘Apps’ im klassischen Sinne zu installieren, auch ist die Speicherung von lokalen Daten / Dateien nur in beschränktem Umfang möglich.

ChromeOS ist dabei ein von Google sowohl initiiertes wie auch wesentlich voran getriebenes Opensource Projekt, welches in technischer Hinsicht einen Linux Kern mit Googles bekanntem und erfolgreichem Webbrowser Chrome verbindet. Bei der ursprünglichen Ankündigung des Vorhabens in 2009 nannte Google als Zielplattform für sein neues Betriebssystem noch Netbooks, also kleine klassische PCs mit geringer Leistung. Mit dem in 2010 erfolgten Siegeszug des iPads auf der einen und der Android Plattform auf der anderen (mobilen) Seite muss der ursprüngliche Fokus allerdings geändert werden.

Die wesentlichen Eigenschaften von ChromeOS

Wenn man die Eigenschaften von ChromeOS, die es von anderen Betriebssystemen unterscheiden, in einem Satz zusammenfassen wollte, so müsste man vielleicht von einer Reduktion auf das Wesentliche sprechen. Wobei die spannende Frage die ist, was Google für das Wesentliche hält. Aber gehen wir dazu zunächst einmal die einzelnen Punkte durch:

Es gibt nur ein Programm, und das ist der Webbrowser

Die Tatsache, dass NutzerInnen von ChromeOS keine Programme im klassischen Sinne auf ihrem PC installieren können, ist wohl der radikalste Bruch mit allen heute verbreiteten Betriebssystemparadigmen. Auch wenn alte IT Hasen einwenden werden, dass das ja alles schon mal dagewesen sei, nur hieß es damals ‘Terminal’.

Der Bruch wird noch radikaler wenn man klarstellt, dass auch Systemadministratoren eines Unternehmens keine Programme installieren können. Auf einem ChromeOS PC ist in keinem Fall mehr installiert als das, was mit dem Betriebssystem mitgeliefert wurde, und das ist der Webbrowser.

Was sind die Konsequenzen?

Nun, auf der einen Seite natürlich, dass ich mein nur unter Windows laufendes Lieblingsbildbearbeitungsprogramm auf einem ChromeOS Rechner nicht nutzen kann.

Und das ich mir keinen Computervirus mehr einfangen kann. Und keinen Trojaner. Und das ich nicht jeden Tag irgendeine der installierten Anwendungen aktualisieren muss. Und kein Programm hätte mehr die Chance die Registry zu verschmutzen oder irgendwelche Artefakte zu hinterlassen, die mein System nach und nach paralysieren. Wäre das schön.

Das einzige, dass auf einem ChromeOS genutzt werden kann, sind Webseiten und Webanwendungen (mehr dazu später). Und hier entsteht die einzig wirklich ernsthafte Frage bei einem geplanten ChromeOS Wechsel: gibt es Programme (oder im schlimmsten Fall auch schlecht programmierte Webseiten) die mich zur Nutzung eines bestimmten Betriebssystems zwingen?

Wenn man sich heute selbst beobachtet, so wird die meiste Zeit am Rechner im Web verbracht: die ganzen Google Dienste (GMail, Kalender, Docs, Maps, Reader), Twitter, Facebook, Flickr, eBooks in Amazon’s Kindleseite und so weiter. Im Bereich der Unternehmen wird zunehmend die Frage des Cloudcomputings, also die Verlagerung von Diensten und Daten in externe Serverlandschaften, relevant. In den meisten Fällen geht Cloudcomputing dabei mit der Einführung von webbasierten Benutzeroberflächen einher. Auch klassische Unternehmensanwendungen wie SAP stellen heute zumindest für Teile der Anwender webbasierte Sichten zur Verfügung.

Die spannende Frage – die jedeR für sich selbst beantworten muss – ist es daher die Anwendungsfälle zu identifizieren, die (noch) nicht im Web stattfinden können. Die in diesem Text verfolgte These ist es dabei, dass es eine wesentliche Anzahl von Nutzungsszenarien gibt, bei denen eine Nutzung von ChromeOS bereits heute möglich ist, und bei denen die Nutzung auf Grund der anderen Vorteile dieses Ansatzes eigentlich zwingend erfolgen müsste.

Automatische Aktualisierung des gesamten Systems

Die zweite Kerneigenschaft von ChromeOS ist die automatische Aktualisierung des gesamten Betriebssystems. Das Verfahren der automatischen und stillen Aktualisierung hat Google in den vergangenen Jahren insbesondere in seinem Chrome Webbrowser perfektioniert. Nur auf diese Weise war es Google möglich sein Produkt in wenig mehr als 2 Jahren bis zur Versionsnummer 9 zu bringen und dabei keine zersplitterte Versionslandschaft zurück zu lassen. Es gibt wohl kein anderes Produkt welches auf eine ähnliche Versionskohärenz verweisen kann.

Die automatischen Updates haben entscheidende Vorteile:

  1. Eine viel schnellerer Weiterentwicklung: ähnlich wie beim Chrome Webbrowser lassen sich auch kleine Verbesserungen schnell verbreiten. Das gilt natürlich insbesondere für Sicherheitsverbesserungen. Man stelle sich eine weltweite Betriebssystemlandschaft vor, bei der nur Promilleanteile der installierten Betriebssystembasis nicht mit der jeweils aktuellsten Version arbeiten.
  2. Die Updates werden über eine digitale Signatur, die bereits in der Rechnerfirmware verankert ist, auf ihre Integrität geprüft und lassen sich auf diese Weise nicht fälschen.

Man kann also immer auf die Verlässlichkeit des Rechners vertrauen, den gerade vor einem steht. Auch fallen keinerlei Wartungsaufwände für den Betrieb an, da sich das Gerät selbstständig aktuell hält und es immer eine eingebaute Möglichkeit gibt den Rechner wieder in einen definierten Ausgangszustand zu bringen.

Sicherheit auf allen Ebenen

Die beiden vorherigen Punkte haben bereits die wesentlichen Sicherheitslücken heutiger Betriebssysteme geschlossen: weder können installierte Programme den eigenen Rechner kompromittieren noch kann das eigentliche Betriebssystem angegriffen werden (zumindest nicht für lange Zeit). Schon diese Eigenschaften müssten den heutigen Botnetz Betreibern und Virus Autoren eigentlich die Haare zu Berge stehen lassen. Was gut ist.

Bleibt als Einfallstor für Angriffe noch der Webbrowser. Dort greift aber das vom Chrome Webbrowser bekannte und bewährte Sandboxing, welches wohl einer der wesentlichen Gründe war – neben den automatischen Updates – aus denen der Chrome Browser in seinem rasanten Aufstieg nie von eklatanten Sicherheitsproblemen ausgebremst wurde.

Um das Sicherheitskonzept abzurunden bleibt nur noch ein Punkt:

Verlagerung der eigenen Daten ins Netz und die Synchronisierung der Benutzereinstellungen

ChromeOS ist – wie schon geschrieben – nicht für die Ablage von eigenen Dateien auf dem Rechner gedacht. Die Idee ist die komplette Verlagerung aller Daten in die Cloud, wobei auf dem ChromeOS Rechner im wesentlichen nur bei der Nutzung der Webanwendungen anfallende Daten gespeichert werden. Diese Daten werden auf dem Rechner verschlüsselt abgelegt und können erst nach erfolgreichem Login wieder gelesen werden.

Dies hat zwei Konsequenzen: der Wechsel von einem ChromeOS Rechner zum nächsten wird nicht durch einen Ballast von Dateien behindert, wie er bei jedem heutigen Betriebssystem zwangsläufig anfällt. Und der Verlust eines ChromeOS Rechners etwa durch Diebstahl muss einen nicht beunruhigen: nicht nur verliert man keine Daten - die sind ja alle in der Cloud - noch können andere Personen an die eigenen Daten gelangen, nicht mal an den kleinen Teil, der auf dem Rechner zwischengespeichert wurde.

Um den Wechsel von einem ChromeOS Rechner zum Nächsten endgültig zu vereinfachen werden die Browser-/Betriebssystemeinstellungen mit dem eigenen Account verknüpft und bei jeder Anmeldung abgeglichen. Egal an welchem ChromeOS Rechner man sich anmeldet: immer steht sofort die zuletzt verwendete Umgebung wieder zur Verfügung. Man erinnere sich an dieser Stelle einmal an den letzten eigenen Umzug auf einen anderen Rechner: wie lange hat es gedauert, bis der neue Rechner sich wieder ‘gut’ anfühlte? Stunden? Tage? Oft waren es Wochen...

All das entfällt mit der Folge einer buchstäblichen aufwandslosen und unterbrechungsfreien Austauschbarkeit der Rechnerhardware.

Radikal verkürzte Startzeiten bei geringeren Hardwareanforderungen

Beim Design von ChromeOS strichen die Google Entwickler eine Vielzahl der in heutigen Betriebssystemen vorhandenen Komponenten, die sowohl den Startprozess wie auch den Betrieb verlangsamten.

Das Ziel – inzwischen offenbar erreicht – ist ein Start des Betriebssystem in wenigen Sekunden. Wobei wenige Sekunden hier weniger als 5 Sekunden meint und Start des Betriebssystems die Zeit vom Anschalten des Rechners bis zur Loginmaske und nicht etwa das Aufwachen aus einem Ruhezustand. Die Startgeschwindigkeit schon des ersten ChromeOS Prototypen wird von Testern mit der des iPads verglichen.

Durch das radikale Abspecken des Betriebssystems kommt ChromeOS offenbar auch mit deutlich geringeren Hardwareanforderungen aus.

Und es gibt doch Anwendungen für ChromeOS

Auch wenn es – wie zuvor lang und breit beschrieben – nicht möglich ist unter ChromeOS Anwendungen im klassischen Sinnes zu installieren, bietet das Browserbetriebssystem doch ein Konzept, welches die Begriffe Applikation bzw. App und Installation verwendet. Google bietet hier mit dem Chrome Web Store eine Plattform an, über die die NutzerInnen Webapplicationen in ChromeOS installieren können. Dabei ist so eine Installation mehr als nur das Anlegen eines Lesezeichens mit einem schönen Icon:

Durch die Installation können Anwendungen benötigte zusätzliche Rechte wie den Zugriff auf Offline Speicher oder die Lokation des Benutzers einmalig gewährt werden und nicht erneut bei jedem Zugriff. Der Chrome Web Store ermöglicht dabei – wie auch die entsprechenden App Stores für iOS und Android – die gezielte Suche nach Anwendungen zusammen mit Bewertungen, Kategorisierungen und einer gewissen Prüfung der Seriosität der Dienste.

Für ChromeOS NutzerInnen steht damit eine zentrale Anlaufstelle zur Verfügung um neue Dienste finden zu können. Natürlich kann auch jede beliebige Webseite/Webapplikation ganz konventionell durch direkte Eingabe der entsprechenden Internetadresse aufgerufen und genutzt werden.

Ein interessanter Punkt sind an dieser Stelle vielleicht noch die Webtechnologien, die ChromeOS unterstützt: Neben HTML 5 wird Flash unterstützt, aber keine proprietären Technologien bzw. Plugins, die nicht unter Linux verfügbar sind. Dies gilt insbesondere auch für Microsofts Silverlight.

Die Hardware für ChromeOS

Zu der Hardware, auf der ChromeOS laufen wird, kann heute noch nicht sehr viel gesagt werden. Grundsätzlich scheint eine Tendenz zu weniger leistungsstarken und damit günstigeren Geräten erkennbar.

Ein weiteres Argument für vergleichsweise günstige Geräte könnte auch in der zuvor beschriebenen Austauschbarkeit der Hardware liegen: warum sollte man in besonders extravagante Hardware investieren, wenn es vollkommen gleichgültig ist, welches Gerät man für seine Arbeit verwendet? Die extrem schlichte Design der Cr48 Geräte ist damit möglicherweise nicht nur deren Pilotcharakter geschuldet, sondern könnte Programm sein.

cr48

Unterstützung wird Google auf der Hardwareseite vermutlich von vielen Herstellern erfahren, entsprechende Kooperation im Bereich von Android lassen sich hier sicher weiterführen. Selbst Intel hat seine Unterstützung zugesagt und sich nicht etwa angesichts des alten Bündnisses mit Microsoft verweigert. Für die Gerätehersteller kann ChromeOS zumindest am Anfang die Chance bieten im Konkurrenzkampf durch besonders günstige Preise aufzufallen.

Was sind die Einsatzfelder von ChromeOS

Nach der langen Vorrede nun aber zum eigentlichen Thema des Blogeintrages, nämlich die denkbaren Einsatzfelder von ChromeOS, denn die sind ja notwendig, damit das Ganze wirklich richtig groß wird. Die Untersuchung der Einsatzfelder wird dabei grob in drei verschiedene Bereiche gegliedert:

Der Einsatz im privaten Bereich

Der private Bereich meint den Einsatz für die individuellen persönliche Zwecke, ein Bereich, in dem im Vergleich zu Firmenumfeldern meist die größere Freiheit herrscht, aber gleichzeitig oft auch die viel geringere Professionalität beim Betrieb der irgendwann einmal gekauften Rechner.

ChromeOS hat in diesem Umfeld vermutlich zunächst keine große Chance die existierenden Erstrechner abzulösen. Zu vage erscheint heute etwa die Vorstellung, dass man die vielen Gigabyte an Digitalfotos schon online organisieren könnte oder das die eigene günstig erstandene Druck-/Scan-/Faxkombination sich  - Google Cloud Print zum Trotz – an einem ChromeOS Rechner sinnvoll betreiben lassen würde.

Die große Chance für ChromeOS in diesem Umfeld ist aber der Trend zum Zweit-, Dritt- oder gar Viertrechner in einem Haushalt. Warum sollen die Kinder einen teuren und unsicheren Windows PC erhalten, wenn sie mit einem billigen und wartungsfreien ChromeOS Geräte genauso gut oder sogar besser lernen und kommunizieren können? Wozu sich um das in der Küche stehende und als Medienzentrum dienende Netbook Sorgen machen, wenn es sich vermeiden lässt? Warum in ein Tablet wie das iPad investieren, wenn ChromeOS genauso schnell startet, der Akku genauso lange hält, das Gerät billiger ist und man noch eine Tastatur hat?

Und genauso wie wir heute schon unsere nicht so computeraffine Verwandtschaft mit Chrome als Webbrowser versorgen, weil wir dann sicher sein können, dass sie nicht mit veralteten Versionen online sind und sich wer weis was für Schadsoftware einfangen, könnten wir sie beim nächsten Computerkauf eigentlich gleich von einem ChromeOS Rechner überzeugen, der uns noch viel weniger Mühe im familieninternen Support bereiten würde. Vom enormen Lernaufwand bei heutigen MS Windows/MS Office Systemen einmal ganz abgesehen.

Schließlich könnten die überragenden Sicherheitseigenschaften von ChromeOS auch im privaten Umfeld wichtig sein, zum Beispiel um das Onlinebanking abzuwickeln.

Ich möchte die Prognose wagen, dass in  Zukunft in einem Haushalt noch maximal ein Rechner mit einem klassischen Betriebssystem zu finden sein wird, der ganze Rest kann durch ChromeOS Geräte abgedeckt werden.

Der Einsatz im öffentlichen Bereich

Unter dem Einsatz im öffentlichen Bereich sollen alle Anwendungsfälle vereinigt werden, bei denen die Austauschbarkeit der Hardware im Vordergrund steht bzw. die Möglichkeit sich an einem beliebigen ChromeOS Rechner in wenigen Sekunden wie zu Hause zu fühlen. Hinzu kommt die bisher noch nicht genannte Gastfunktion von ChromeOS, die dem Inkognito Modus des Chrome Browsers entspricht, und die die Nutzung von Webanwendungen in ChromeOS ermöglicht ohne sich anzumelden.

Anwendungsfälle gibt es Haufenweise:

  • Hotels: Ein Hotel kann seinen Gästen ChromeOS Laptops zur Verfügung stellen. Es hat keinen Aufwand mit den Geräten und die Gäste können auch ohne Google Account über den Gastmodus auf das Netz zugreifen.
  • Fluglinien: Ähnlich wie in Hotels können den Passagieren ChromeOS Rechner zur Verfügung gestellt werden, durch die niedrigen Kosten und die Wartungsfreiheit kann technisch ungeschultes Personal die Geräte ausgeben und bei Problemen einfach ein Ersatzgerät zur Verfügung stellen.
  • Bibliotheken: Hier könnten durch die schon bei den vorherigen Punkten genannten Vorteile Geräte einfach an die Besucher verliehen werden um Notizen zu ermöglichen und weitere Informationen abzurufen.
  • Schulen/Hochschulen: Auch hier könnten die Kosten mit ChromeOS so weit sinken, dass den Schülern und Studierenden Rechner zur Verfügung gestellt werden können.
  • Gastronomie: In Kaffeehausketten ist das Angebot einen W-LAN Zugang zu nutzen schon fast selbstverständlich, hinzu kommen könnte mit ChromeOS auch noch die zur Verfügung Stellung des Rechners.
  • Informationskioske: Reine Auskunftssysteme oder auch nicht-interaktive Anzeigen würden sich ohne weitere Betreuungsaufwände mit ChromeOS betreiben lassen

In diesem Einsatzfeld ist möglicherweise der Durchbruch von ChromeOS in extrem kurzer Zeit zu erwarten, da es hier um die Nutzung durch große Organisationen wie Hotelketten oder Hochschulen geht, die zehn- oder hunderttausende von Kunden bedienen.

Der Einsatz im Unternehmensbereich

Im Unterschied zum vorherigen Abschnitt ist hier die IT Versorgung der MitarbeiterInnen eines Unternehmens gemeint. Hier existiert eine riesige Spannbreite, die vom Selbstständigen mit quasi privaten Verhältnissen reicht bis hin zu den globalen Firmengiganten. Fangen wir klein an:

An klarsten ist vermutlich die Chance für Unternehmen und Organisationen, die bereits echte Cloudnutzer sind und zum Beispiel die Google Apps verwenden. Diese Gruppe hat nun die Möglichkeit auch noch die letzten Microsoft Lizenzen einzusparen und die zu ihrer Cloudnutzung passende Clientausstattung zu nutzen. In einem solchen Unternehmen ist vermutlich auch nahezu kein interner IT Support mehr notwendig.

Ähnliches gilt für die Schulen und Hochschulen, die insbesondere in den USA in großer Zahl an dem Google Programm für Bildungseinrichtungen teilnehmen und damit ebenfalls Google Apps Nutzer sind. Auch sie werden mit ChromeOS weitere wesentliche Kosteneinsparungen, gleichzeitig aber auch Serviceverbesserungen durch die Vereinfachung der Gerätenutzung realisieren können.

In großen Unternehmen wird sich hingegen die vorhandene Microsoft Windows Infrastruktur nicht auf absehbare Zeit komplett austauschen lassen. Zu stark sind die Bindungen an die Microsoft Office Welt, zu zahlreich die Spezialprogramme, die nur unter Windows arbeiten. Das sind zumindest die Erkenntnisse, die in den vergangenen Jahren aus verschiedenen Versuchen große Organisationen auf klassische Linux PC migrieren zu wollen. Trotzdem wird ChromeOS auf Grund seiner herausragenden Eigenschaften auch hier sofort seine Nischen finden:

  • Wartungsfreiheit: In allen Unternehmen gibt es Rechner für den ‘allgemeine’ Nutzung, z. B. bei Präsentationen. Diese können durch ChromeOS ersetzt werden. Auch Außendienstler sind möglicherweise eine prädestinierte Nutzergruppe, bei denen mit ChromeOS nicht mal mehr der Verlust eines Gerätes gefürchtet werden müsste.
  • Sicherheit: Das BSI hat gerade wieder eine Warnung herausgegeben, bei Fahrten ins Ausland nur komplett leere Laptops und Handys mitzunehmen, um Industriespionage zu entgehen. Hier könnte ChromeOS ein bisher nicht zu erreichendes Sicherheitsniveau bieten und trotzdem ein komfortables Arbeiten ermöglichen.

Zusätzlich kann aber auch im Umfeld großer Unternehmen eine schnelle Ersetzung der normalen Arbeitsplatzrechner durch ChromeOS antizipiert werden, denn ChromeOS bringt den sogenannten Citrix Receiver mit. Diese Software wird bereits in großem Umfang für die Desktop Virtualisierung von Windows Umgebungen eingesetzt und ermöglicht damit den ChromeOS Einsatz auch dann, wenn die NutzerInnen für bestimmte Zwecke noch auf Windows Rechner zugreifen müssen. Für die IT Abteilungen würde sich damit der Gerätesupport der Endanwender im Extremfall auf die Herausgabe eines Rechners reduzieren und der aufwändige Betrieb der MS Windows Infrastruktur kann sich auf wenige zentrale Server beschränken.

Welche Konsequenzen sollten IT Betriebe aus ChromeOS ziehen

Auch wenn ChromeOS in diesem Moment noch nicht als komplettes Produkt erhältlich ist sind IT Betriebe schon heute gut beraten diese Option in ihrer zukünftigen Strategie zu berücksichtigen. Damit der Einsatz von ChromeOS in möglichst großem Umfang erfolgen kann sollten Unternehmensanwendungen bereits jetzt so ausgewählt werden, dass sie:

  1. komplett webbasiert sind,
  2. für die Nutzung ein beliebiger Webbrowser (bzw. mindestens Chrome) genutzt werden kann und
  3. ein beliebiges Betriebssystem, auf welchem der Browser installiert wird.

Die Punkte 2 und 3 sind dabei besonders wichtig: So führt Microsoft gerade mit Silverlight eine proprietäre Browsererweiterung ein, die unter Linuxsystemen nicht nutzbar ist. Eine Webanwendung, die solche Erweiterungen erfordert, kann nicht unter ChromeOS genutzt werden und sollte vermieden werden. Ein anderes Beispiel ist der SAP Webclient, der Freigaben nur für ganz bestimmten Browsertypen hat. Hier kann man aber vermutlich nur auf die wachsende Verbreitung von Chrome und anderen Browsern hoffen, die große Anbieter wie SAP dazu zwingen entsprechende Freigaben zu machen.

Abspann

Meine Einschätzung, dass mit ChromeOS einer der ersten wirklichen Umbrüche im Bereich der Desktopbetriebssysteme seit langer Zeit bevorsteht, hat sich beim Schreiben dieses Textes noch weiter verfestigt. Zu viele Dienste sind in den letzten Jahren bereits in die Cloud gewandert, so sehr ist der Webbrowser heute das wesentliche Arbeitswerkzeug, zu kompliziert oder zu unsicher die meisten der anderen über Jahrzehnte gewachsenen Betriebssysteme, als das man die hinter ChromeOS steckende Vision noch abtun könnte.

Der Trend zur Cloud wird auch von der Explosion der Mobilplattformen iOS und Android befördert, denn diese heute aus einer produktiven Organisation nicht mehr wegzudenkenden Werkzeuge erzwingen die Sammlung und Bereitstellung aller wichtigen Unternehmensdaten auf zentralen Servern über das Netz in einem früher nicht bekannten Umfang. Es ist also für die IT Betriebe auch aus anderen Gründen wichtig die oben genannten Prinzipien bei der Produktauswahl zu berücksichtigen, damit sie angesichts der Gerätevielfalt, mit der sie plötzlich konfrontiert werden, handlungsfähig bleiben.

Wenn ChromeOS tatsächlich in der Mitte 2011 verfügbar wird, so könnte sich der heute nach den verschiedenen Statistiken so um die 10% bewegende Marktanteil des Chrome Webbrowsers bis zum Jahresende leicht verdoppeln. Und danach? Vielleicht ist es nicht unrealistisch zu erwarten, dass Chrome schon bald den Internet Explorer als Browser mit dem größten Marktanteil ablöst und unter den Betriebssystemen MacOS schnell überrundet.

Und um es etwas spannend zu machen – und damit es sich lohnt hier in einem Jahr noch einmal reinzuschauen – gebe ich folgende Prognose ab: wenn ChromeOS wie geplant veröffentlicht wird, so wird der Marktanteil von Chrome  (egal ob als Browser oder als OS) in 12 Monaten bei mindestens 25% liegen. Als Referenz soll dabei der Netmarketshare Index gelten, in dem Chrome Ende Dezember 2010 ein Anteil von knapp unter 10% bescheinigt wird.

Links

Abschließend noch einige Links zum Thema:

Interessante Seiten und Artikel zum Thema:

Und dann noch ein paar Videos: