Aber dieser ‘erzwungene’ Anlass für eine Stadtwanderung soll nicht die reizvollen Aspekte dominieren: Gerade eine Wanderung am Morgen bietet Einblicke in das Leben und die gewachsene Großstadt, die einem beim Besuch der Innenstädte, Einkaufszonen und touristischen Zentren eher entgehen. Seien es Kaninchen in den Grünanlagen, Graffiti an den Straßenwänden, ‘geheime’ Wege der einheimischen Hundebesitzer oder einsame Denkmale, die man im Trubel kaum bemerkt. Soll sich die Stadtwanderung aber nicht nur auf eine Runde um den Block beschränken und andauernd in Sackgassen landen, so stellen sich einem gewisse Herausforderungen:
Orientierung und interessante Ziele
In meinem Fall geht es meist um Runden von um die 10 Kilometer, im Ausnahmefall gab es auch schon mal doppelt so lange Strecken. Das stellt einen vor zwei Probleme: Welches Ziel soll man sich - insbesondere mit dem Hund - für die Wanderung vornehmen, und wie kommt man einigermaßen direkt und auf schönen Wegen dorthin. Wenn man mehrere Tage in der Stadt ist, dann will man natürlich auch jeden Morgen einen anderen Weg gehen, es soll ja nicht langweilig werden.Der Anfang: Google Maps auf dem Laptop
In den ersten Jahren der Großstadturlaube mit dem Hund verließ ich mich eigentlich nur auf meinen Orientierungssinn und eine grobe Vermutung, in welcher Richtung es wohl interessant werden könnte. Die spannende Frage war dabei immer ob man am Ende in einem reizvollen Stadtpark landete, damit der Hund sich einmal auftoben konnte, oder vor einem Bahndamm, der sich erst in einem Kilometer Entfernung wieder überqueren ließ, oder auf einer öden Schnellstraße.
Der erste Schritt zur Digitalisierung bestand natürlich in der Nutzung von Google Maps auf einem Laptop, der am Urlaubsort über mein erstes internetfähiges Handy ins Netz gebracht wurde. Die Zielauswahl musste dann am Vorabend stattfinden und die Route memoriert werden, damit die Wanderung am nächsten Morgen funktionierte. Insgesamt wurden so deutlich längere Wanderungen möglich, aber es gab keine richtige Flexibiltät, da man sich bei Hin- und Rückweg eher an die erinnerte Route hielt, als spontanen Neigungen nachzugeben.
Das erste Smartphone: Freiheit!
Mit dem ersten Smartphone - dem Nexus One - ändert sich bereits etwas sehr Grundlegendes: Auch wenn ich nie Angst hatte in einer fremden Stadt ‘verloren’ zu gehen - zur Not kann man ja einfach den Weg rückwärts gehen - hatte ich nun Google Maps als App immer dabei und damit die Möglichkeit einer permanenten Neuorientierung. Das machte eine ganz andere Art der Wandung möglich, bei der man sich im Grunde sehr frei in der Stadt bewegt und nur grob die Richtung hält, etwa an Hand der Sonne oder dem eigenen Orientierungssinn, und nur von Zeit zu Zeit das Smartphone herausholt um zu prüfen ob man nicht komplett aus der Richtung ist.
Das ist eigentlich die Art und Weise, wie ich auch heute noch am liebsten wandere: Man kann schnell vorankommen, interessanten Wegen spontan nachgehen, zückt aber nicht permanent das Smartphone und vergisst darüber die Umgebung. Zu dieser Zeit waren die Google Maps in Deutschland noch vergleichsweise ungenau, jedenfalls wenn man zu Fuß unterwegs war. Auch waren die Ladezeiten eher langsam.
Fortschritte bei Google Maps: Schnelligkeit und Zuverlässigkeit
Irgendwann machte Google Maps dann zwei Quantensprünge: Zum einen wurden die vektorbasierten Karten eingeführt, die eine Speicherung der Daten auf dem Smartphone ermöglichten und grundsätzlich das Volumen der Datenübertragungen deutlich reduzierte. Damit wurde die Nutzung der Karten auch in engen Straßenschluchten mit schlechtem Netz viel zuverlässiger. Und besser sahen die Karten auch noch aus.
Etwas später - zumindest nach meiner Erinnerung - veröffentlichte Google neues Kartenmaterial für Deutschland. Damit konnte man zumindest in den Städten, die ich besuchte, selbst kleinste Fußwege direkt in der App finden und ganz neue Routen planen. Vorher musste man Faustregeln verwenden wie die, dass in der Großstadt zwischen zwei Straßen, die sich bis auf eine bestimmte Entfernung nähern und zwischen denen eine Grünfläche eingezeichnet ist, mit Sicherheit ein Weg - und sei es nur ein Trampelpfad - zu finden sein wird. Oder man hängte sich an andere Hundebesitzer, die einem die verborgenen Wege zeigen können.
Das sind immer noch interessante Strategien, aber der heutige Detailgrad der Google Maps ist inzwischen so hoch, dass man eher das Problem hat, dass eingezeichnete Wege wirklich extrem klein und hart an der Grenze zur Unbenutzbarkeit sein können.
Neue Ziele: Ingress
Die letzte Innovation in meiner persönlichen App Ausstattung für die Wandung in der Stadt ist schließlich Ingress. Ingress wird in der Wikipedia als Augmented-Reality-Spiel bezeichnet, es wird über eine entsprechende App auf dem Smartphone gespielt. Für den Zweck der Stadtwandung ist dabei interessant, dass sogenannte ‘Portale’ ein wichtiger Aspekt des Spiels sind. Dies sind von den Spielern eingereichte Landmarken, die auf Denkmäler und sonstige gut erkennbare Besonderheiten der jeweiligen Gegend gelegt werden. Was dabei die einzelnen Spieler für interessant befunden und die Spielmacher zugelassen haben kann eine sehr große Bandbreite haben, in Großstädten wird man darunter oft auffällige Graffiti finden, kleine Parks und Freiflächen und so weiter und so fort.
Man muss nicht aktiv Ingress spielen um diese Portale als neue Art der Wegfindung durch eine fremde - oder auch durch eine vertraute - Stadt zu nutzen: Man meldet sich im Spiel an und bekommt dann in der App eine Anzeige der unmittelbaren Umgebung und der nahen Portale. Man kann sich die Bilder und die kurzen Beschreibungen der Portale ansehen - da diese von Spielern stammen sind sie mal mehr und mal weniger informativ / zutreffend - und sich so von einem interessanten Punkt zum nächsten treiben lassen. In der Webversion kann man sich auch das große Ganze ansehen, wenn man weiter voraus planen will.
Das Spannende daran ist: Die Ingress Portale bilden meist eine ganz andere Sicht darauf ab, was eine Stadt interessant macht, als die offiziellen Reiseführer.
Das Spannende daran ist: Die Ingress Portale bilden meist eine ganz andere Sicht darauf ab, was eine Stadt interessant macht, als die offiziellen Reiseführer.
Empfehlung zum Schluß: Welche Apps sind noch nützlich?
Bisher habe ich eigentlich nur von zwei Apps gesprochen, aber der Google Play Store ist voll mit Anwendungen, die einem nützlich sein können. Daher zum Schluß noch paar Tipps, welche davon man außerdem auf sein Smartphone laden könnte, um eine fremde Stadt zu erkunden:- Meine Tracks: Ich finde es immer spannend nach einer Wanderung noch einmal nachvollziehen zu können, wohin es einen eigentlich verschlagen hat. Über diese App kann man die Wegstrecke aufzeichnen und automatisch mit dem Google Drive synchronisieren oder auch in verschiedene Formate exportieren. Zusätzlich bekommt man einige Statistiken wie die Gesamtstrecke, Höhenprofile, etc.
- Accupedo: Wer die Sache mit dem Quantified Self noch weiter treiben will landet schnell bei einem Schrittzähler. In meinen bisher zwei Phasen, in denen ich mich so selbst vermessen wollte, war mir diese App ein (mehr oder weniger) treuer Begleiter.
- Agrarwetter: Eine praktische App, die auch - entgegen ihrem Namen - in der Stadt vor dem Abmarsch eine Orientierung bietet, ob ein Wolkenbruch zu erwarten ist und wie dick / dünn man sich anziehen sollte. Gerade in einer fremden Stadt kann man oft nicht mit einem kurzen Blick aus dem Fenster entscheiden wie das Wetter ist. Inzwischen verdrängt bei mir allerdings Google Now die speziellen Wetter Apps immer stärker.
- Wikipedia: Die Wikipedia App bietet eine Option um sich in der Umgebung die Orte anzeigen zu lassen, zu denen es Artikel gibt. So kann man möglicherweise spannende Orte finden, oder sich von der Geschichte der Stadt durchtränken lassen. Und später mit seinem Wissen angeben.
- Field Trip: Diese App ist von den Ingress Machern und gibt einem ortsbezogene Tipps zu Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen. Schön gemacht, nur manchmal etwas zu proaktiv mit den Benachrichtigungen und Hinweisen.
- ADAC Wanderführer Deutschland: Diese App habe ich mir gekauft um Anstöße für Wanderungen zu bekommen. Und einmal haben wir damit auch eine schöne Route gefunden, selbst wenn diese am Ende nicht ganz fehlerfrei war.
- Apps für die Fotos: Schließlich gehört für mich auch meine ziemlich umfangreiche Sammlung von Apps für die Fotobearbeitung zur unverzichtbaren Ausstattung. Angefangen bei Snapseed, um aus nahezu jeder Aufnahme noch etwas Interessantes zu machen, über Instagram, um die Bilder effizient in die sozialen Netze zu transportieren bis hin zu KD Collage und Funcard, um aus einer Reihe von Schnappschüssen schnell eine Postkarte des gerade Erlebten anzufertigen, die dann in Papierform ankommt.
- DB Navigator: Immer gut zu gebrauchen, wenn man seinen Startpunkt nicht zu Fuß erreichen will oder falls die Wanderung zu lang war und ein bequemer Rückweg notwendig ist. Hier sind tendenziell immer noch deutlich mehr Nahverkehrsverbindungen zu finden als in den Google Maps.
Aber immer daran denken….
Aber bei all der schönen, neuen Technik immer daran denken: Wichtig sind die Eindrücke, die man mit den eigenen Sinnen macht. Und alle Bewertungsportale werden einem nicht den Weg zu dem kleinen Café an der Straßenecke weisen, in dem einem die Spatzen das Croissant vom Teller stehlen, während man sich noch den Kaffee nach draußen trägt.Also die Augen nicht stur auf das Display gerichtet, sondern offen für das Neue und Unerwartete halten. Viel Spaß!